Maskenpflicht wird zum Politikum

Die Straßen auf Norderney sind derzeit oft menschenleer, trotzdem muss eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden.

NorderneyBD – Von Beginn an wirkte die neue Allgemeinverfügung des Landkreises paradox: Beherbergung ist verboten, aber Masken sind Pflicht. Während der Saison mit proppevollen Straßen wurde lediglich empfohlen, in engen Bereichen wie der Strandstraße, Masken zu tragen. Und nocht im Herbst gab es deftigen Partytourismus ohne jegliche Einschränkungen. Alles ohne Folgen? Zumindest spiegelte es sich bis vor Kurzem nicht in Infektionszahlen wider. Dafür aber in einer Allgemeinverfügung des Landkreises, die auf übergeordnet erlassende Gesetze und Verordnungen fußt, die seit dem 2. November in Kraft ist und bis 30. November eine Maskenpflicht für Fußgängerzonen vorschreibt.

Die insulare FDP-Fraktion fordert seit Sonntag eine sofortige Aufhebung der Allgemeinverfügung, was das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeht. „Die touristische Saison ist spätestens seit Allerheiligen beendet, überdies sind seit Anfang des Monats touristische Übernachtungen auf der Insel gar nicht mehr erlaubt. Die Insel ist leer und die Allgemeinverfügung des Landkreises damit sinnlos“, schreiben die Liberalen. Die Anordnung könne nur „als eine Art Schildbürgerstreich aufgefasst werden“. Eine allgemeine Maskenpflicht wäre im Sommer und Herbst sinnvoll gewesen. „Mit Ende der Saison eine allgemeine Maskenpflicht für meist leere Plätze einzuführen, ist dagegen völliger Nonsens“, so der Ortsverband auf seiner Homepage. Er fordert die Stadtverwaltung auf, „aufgrund der offensichtlichen Situation beim Landkreis zu intervenieren, damit die Allgemeinverfügung entsprechend angepasst wird“. Gleichzeitig schränken die Liberalen ein: „Die Maskenpflicht bleibt dann dort bestehen, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, was im Sinne der Prävention im Rahmen der Corona-Krise völlig ausreichend ist.“ Die SPD schließt sich laut Axel Stange der FDP-Meinung an: „Wenn Kontaktgefahr besteht, Maske, wenn nicht, keine.

Bürgermeister Frank Ulrichs (parteilos): „Unser Wille spielt hier gar keine große Rolle, da der Landkreis Aurich mit der Allgemeinverfügung der aktuellen Landesverordnung folgt, wonach bei einer Inzidenz von mehr als 50 auf 100000 Einwohner eine Mund-Nasen-Bedeckung an exponierten Orten zu tragen ist“. Ulrichs räumt ein, dass aufgrund der leeren Insel „... diese Verfügung mitunter ins Leere läuft“. – „Im Kontext mit den vor zwei Monaten noch abgelehnten Anfragen auf Einführung einer Maskenpflicht für bestimmte Areale während der Clubzeit, in denen sich Hunderte Menschen aufgehalten haben, wird deutlich, dass es in der Corona-Pandemie offenbar nicht möglich ist, allen Lebenssachverhalten gerecht zu werden und immer vernünftige und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.“ Das derzeitige Infektionsgeschehen, auch auf der Insel mit derzeit sechs Fällen rechtfertige „eine andere Betrachtung und weitergehende Maßnahmen, die vor Wochen nicht unbedingt angemessen und damit gerichtsfest gewesen wären“. Für die erlebnisgastronomisch geprägten Hotspots hätte er sich allerdings eine Regelung gewünscht. Allerdings habe er in der vergangenen Woche schon mit Landrat Olaf Meinen darüber gesprochen, ob die Verfügung zumindest für den Innenstadtbereich zurückgenommen werden kann. Der Kreis sieht keinen Handlungsbedarf, die Verfügung zurückzunehmen, hieß es vergangene Woche aus dem Kreishaus. Laut Ulrichs will Meinen die Situation aber im Krisenstab erörtern.

Der Antrag der FDP lag bis Redaktionsschluss noch nicht der Verwaltung vor. „Allerdings benötige ich für sinnvolles Verwaltungshandeln auch keine Anträge der FDP, zumal es keine politische Entscheidung ist, sondern eine rechtliche. Wenn die Maßnahme vor zehn Tage nicht ratsam und geboten gewesen wäre, hätte der Landkreis diese nicht getroffen. Aufgrund der aktuellen Lage muss man diese heute aber überdenken. Im Zuge der sich täglich leerenden Insel meine ich schon, dass nun in den Fußgängerzonen gut auf eine Maske verzichtet werden kann. Dafür gibt es draußen keinen Grund mehr“, sagt Ulrichs.

Hayo Moroni, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sagt, dass seine Partei von Beginn der Pandemie an gegen eine Maskenpflicht gewesen sei und nach wie vor keine Gefahrenlage da sei. „Ich habe nie eine Maske auf der Insel getragen und werde es auch zukünftig nicht machen. Und das ist auch unsere Haltung.“ Eine Maske sei „die Herstellung einer Gesichtslosigkeit“, wo doch früher die Forderung galt, Gesicht zu zeigen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, mahnt der Rechtsanwalt und mit der Maske würden Menschen entwürdigt und es auch noch mit sich machen lassen. „Ich hätte nicht gedacht, dass man so schnell alle Grundrechte aufheben kann. Jeder wird zum Krankheitserreger gemacht“, so Moroni. „Da ist ein Blatt am Baum krank und schon wird der ganze Baum für krank erklärt“, das könne es ja nicht sein. Moroni sieht derzeit die Gesellschaft „als eine gesichtslose, unterwürfige Masse“.

Stefan Wehlage (Bündnis 90/Die Grünen) hält den Antrag der FDP für nachvollziehbar, da seit Sonntag die Insel nicht mehr so belebt sei. „Aus unserer Sicht sollten wir mit dem Thema Maskenpflicht gelassen umgehen. Wenn es hilft, auch nur eine Ansteckung mit dem Covid-19-Erreger zu vermeiden, so kann dies Leben retten“, so Wehlage, der appelliert: „Je konsequenter wir jetzt die Regeln befolgen, desto besser können wir die Infektionsrate in den Griff bekommen. Nicht jede Maßnahme ist an jedem Ort, jederzeit sinnvoll. Aber es bringt auch nichts, ständig nach Ausnahmen zu rufen.“

Jann Ennen (CDU): „Die CDU hat sich seit Beginn für das Maskentragen starkgemacht, besonders, als die Insel voll war. Bei leeren Straßen scheint es uns weniger sinnvoll, ebenso wie jetzt Kontrollen durchzuführen. Bei Kontaktsituationen unterstützen wir Masken, wenn man allein auf weiter Flur steht, sollte man keine tragen müssen.“

Ulrichs: „Die gesamte Lage im Land lässt es nicht zu, für jeden einzelnen Ort die individuell richtige und akzeptierte Maßgabe zu treffen. Diese Zeit fordert uns allen eben auch viel Disziplin und Verständnis ab. Wir sehen ja jetzt in unserem Land, wo uns der teilweise Einzug gehaltene Laissez-faire hingebracht hat.“