Norderney Wer sich oft in der freien Natur bewegt, hat längst mitbekommen, dass einige Vogelarten schon vor Wochen die Brutsaison eingeläutet haben. Von der Nistplatzsuche bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Nachwuchs flügge wird, ist das ein aufreibendes Geschäft. Neben der Witterung, dem Nahrungsangebot und natürlichen Feinden sind auch Störungen durch menschliche Aktivitäten ein wesentlicher Faktor, der den Bruterfolg beeinflussen kann. Deshalb bekommen unsere Wildvögel „Rechtsbeistand“ durch Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Bundesländer. So gilt in ganz Niedersachsen von Anfang April bis zum 15. Juli beim Hundespaziergang in der freien Landschaft eine Anleinpflicht, im Nationalpark und damit auch auf Norderney ganzjährig. Im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer auf Neuwerk herrscht ganzjährig Leinenpflicht, ausgenommen sind nur ausgewiesene Bereiche wie der Hauptdeich. Und in Schleswig-Holstein müssen Hunde nicht nur im Nationalpark, sondern auch auf den Deichen und Vorländern immer an die Leine. Die drei Küstenländer haben eine ganz besondere Naturlandschaft vor der Haustür: Das Wattenmeer ist nicht nur ein wichtiges Brutgebiet, sondern ganzjährig Rastplatz, Winterquartier und Mausergebiet für über 300 geschützte Vogelarten. Auch junge oder verletzte Robben, die am Strand liegen, müssen vor neugierigen Hunden geschützt werden. Dies ist auch im Sinne der Vierbeiner, denn durch Kontakt oder auch durch Bisse wehrhafter Robben können Krankheitserreger übertragen werden, von Bakterien bis hin zur Vogelgrippe, die auch in Meeressäugern nachgewiesen wurde.
„Schutzgebiete sind kein Hundespielplatz“, sagt Janne Lieven, Leiterin des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer. Ihr Kollege aus Schleswig-Holstein, Michael Kruse, ergänzt das: „Natürlich müssen sich Hunde irgendwo austoben können, aber nicht gerade dort, wo es um das Leben bedrohter und streng geschützter Wildtiere geht.“ Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Hund tatsächlich den Vögeln hinterherjagt oder sie gar fängt beziehungsweise tötet, oder ob er nur schnuppernd umherläuft. Schon die Anwesenheit des potenziell für sie gefährlichen Vierbeiners setzt die Vögel unter Stress. Im Zweifelsfall verlassen sie das Gelege oder die Küken, unterbrechen das Hudern und Füttern, und bis die Eltern zurückkehren, haben Fressfeinde leichtes Spiel. Auch für Rastvögel, die im Wattenmeer ungestört Energie tanken müssen, ist jede Störung, jedes Aufscheuchen eine Belastung. „Im Leben eines Zugvogels entscheidet jeder einzelne Tag darüber, ob er vital genug ist, seine langen Reisen zu schaffen und erfolgreich zu brüten“, erklärt Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Auf Norderney müssen Hunde grundsätzlich an die Leine. Aber keine Regel ohne eine kleine Ausnahme: Auf der Wiesenfläche des „Alten Fliegerhorstes“ hinter dem Westdeich dürfen die Vierbeiner ganzjährig ohne Leine herumtollen und toben.