Beim Sommerfest der Ortshandwerkerschaft wird das 125-jährige Bestehen gefeiert
„Ausbildung ist das Wichtigste“, so der Vorsitzende Andreas Köhn
Norderney Schon beim Einbiegen in das Gewerbegelände konnte man die gegrillte Bratwurst riechen. Einfach nur der Nase nach und man landete auf dem Gelände der Bushalle, wo am Freitag mit dem Sommerfest der Ortshandwerkerschaft auch das 125-jährige Bestehen dieser Vereinigung gefeiert wurde.
Andreas Köhn begrüßte in seiner Funktion als 1. Vorsitzender der Ortshandwerkerschaft besonders die Gesellen, darunter einige, die erst vor kurzer Zeit ihre Ausbildung abgeschlossen haben, und einige neue Norderneneyer Handwerker, die sich nach jüngst abgelegter Prüfung „Meister“ nennen dürfen. Anwesend waren weiterhin der stellvertretende Bürgermeister Norderneys, Axel Stange, einige Mitglieder des Stadtrates, Kurdirektor Wilhelm Loth, der Wirtschaftsbeauftragte des Kreises Aurich, Jelto Müller, Mitglieder des Ordnungsamtes und einige Wandergesellen, die derzeit auf der Insel unterwegs sind. Besonders freute sich Andreas Köhn über das Beisein dreier Alt-Meister des Norderneyer Handwerks, denn sowohl Eilbertus Stürenburg, Alfred Bodenstab als auch Lothar Zilles fanden den Weg zum Sommerfest.
Blick nach vorn
Obwohl eine Jubiläumsfeier auch dazu dient, einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen, um die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten nachzuzeichnen, befasste sich Köhn eher mit der Zukunft der Ortshandwerkerschaft und formulierte seine Wunschvorstellungen im Bereich Handwerk für die kommenden Jahre. Wichtig für Köhn, so formulierte er, sei es, die Funktion der Ortshandwerkerschaft als starke Institution weiter zu stützen und den Ruf des Handwerks in seinen vielfältigen Gewerken weiter zu verbessern, auch, um gegen den Fachkräftemangel zu arbeiten.
„Wir Handwerker sind wichtig, wir sind begehrt und, wie eine neue Studie der Handwerkskammer zeigt, gehören wir zu den glücklichsten Menschen im Berufsleben“, so Köhn. „Über 80 Prozent der befragten Handwerker sind vollauf zufrieden in ihrem Job und würden niemals etwas anderes machen wollen. Das liegt ganz einfach daran, dass man am Abend eines Tages auf etwas blicken kann, was man geleistet hat – die Wand gemalt, die Verkabelung gefertigt, das Haus gebaut. Da kann man wirklich stolz sein.“
Zu viel Bürokratie
Einen kleinen Seitenhieb gab es gegen die die zunehmende Bürokratie im Handwerkerleben. „Früher konnte man einen Betrieb mit zehn Leuten locker mit zwei Personen im Büro bewältigen. Heute braucht man mindestens vier, da in allen Bereichen die Auflagen steigen und man dadurch viele bürokratische Hürden nehmen muss, die oft überflüssig erscheinen. Da muss die Politik noch ran“, so der Vorsitzende der Ortshandwerkerschaft.
Aus- und Weiterbildung
Als nächsten wichtigen Punkt bei seinem Blick in die Zukunft nannte Köhn die Situation in Aus- und Weiterbildung und appellierte an die Anwesenden, sich diesem Themas wirklich anzunehmen, da auch die technischen Ansprüche immer weiter steigen, die Berufe immer anspruchsvoller werden und man deshalb auf diesen Zug der Entwicklung unbedingt aufspringen muss, um den Anschluss nicht zu verpassen. Daher schloss Köhn seine Begrüßungsworte auch mit dem Satz: „Denkt immer daran: Ausbildung ist für uns das Wichtigste. Sie sichert die Konkurrenzfähigkeit und ist das probateste Mittel gegen den Fachkräftemangel.“
Abschließend gab es noch ein Jubiläum unter den Mitgliedern der Ortshandwerkerschaft zu feiern und Andreas Köhn konnte Fliesenlegermeister Jörg Saathoff gleich zwei Urkunden zur 25-Jahr-Feier überreichen. Eine für seinen Meistertitel und die zweite zum Bestehen seines 1999 gegründeten Betriebes.
Im Namen der Stadt Norderney und ihrer Bürger fand auch Axel Stange einige Worte zum Jubiläum der Ortshandwerkerschaft und überbrachte seine Glückwünsche an die Handwerker und alle anwesenden Gäste.
Historische Stationen
Der florierende Tourismus war es, der in der zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts zur Gründung zahlreicher Handwerksbetriebe auf Norderney führte. „Zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen“ schlossen sich 1899 schließlich einzelne Gewerbezweige des Handwerks zu Innungen zusammen, aus denen sich die Norderneyer Ortshandwerkerschaft entwickelte. Die Zahl der Mitgliedsbetriebe hat sich seit den Gründungstagen kaum verändert. Damals waren es 41, heute sind es 39 Betriebe. Die Struktur der Gewerke jedoch hat sich wesentlich verändert. Schuhmacher, Schneider, Sattler, Seiler und Segelmacher mussten weichen und die technische Entwicklung ließ neue ansässige Gewerke entstehen. Mit dem Zweiten Weltkrieg kam dann der große Zusammenbruch und wie der Rest der neuen Republik musste sich auch das Handwerk der Insel neu definieren. Die erste Freisprechung Norderneyer Lehrlinge nach der Wiedergründung der Innungen fand im Jahr 1950 statt. Damals waren es 26 Lehrlinge in den Berufsgruppen Schlosser, Schmiede, Bau, Maler, Bäcker und Polsterer. Die Berufswünsche veränderten sich im Laufe der Zeit. Bei der Freisprechung 1960 waren es zehn Maurer, vier Tischler, vier Schlosser, drei Bäcker, drei Maler, zwei Friseure, ein Elektriker und ein Zimmermann. Von den 1960 auf Norderney entlassenen Schülern entschlossen sich mehr als die Hälfte für einen Handwerksberuf. 1980 traten von 46 Schülern nur noch zehn unmittelbar eine Lehre an und 1998 begannen von 52 Schulentlassenen nur noch drei Schüler eine Lehre und sechs nutzten das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) in Norden. Ein Trend, der bis dato anhält.
Was bleibt, hat Manfred Bätje bereits zum 100. Jubiläum der Ortshandwerkerschaft formuliert: „Das insulare Handwerk wird sich auch weiterhin den wirtschaftlichen und produktionstechnischen Trends anpassen müssen. Ein zukunftsorientiertes Handwerk wird auf eine berufsständige Organisation nicht verzichten können.