Neue Satzung bleibt Gesprächsthema auf Norderney
Lobbypolitik bestimmt die Diskussion über die Zweckentfremdungssatzung
Norderney Selbst eine Woche nach der Entscheidung des Inselparlaments dem Vorschlag der Freien Wähler Norderney (FWN) in Sachen Zweckentfremdungssatzung zu folgen, haben sich die Wogen immer noch nicht geglättet. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme hatten die Kommunalpolitiker von FWN, CDU, FDP und dem parteilosen Bernd Geismann (Grüne) sich gegen die SPD, Grüne und Bürgermeister Frank Ulrichs (parteilos) gegen den Verwaltungsvorschlag behauptet.
Nicht akzeptabel, skandieren die einen, völlig nachvollziehbar argumentieren die anderen. Aber um was geht es dabei eigentlich?
FWN setzt sich mit
ihrem Vorschlag durch
Der Rat hat zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu „angemessenen Preisen“ und damit zur Abwendung der Gefahr eines Wohnraummangels die Zweckentfremdungssatzung beschlossen. So liegt ein Fall von Zweckentfremdung nicht vor, wenn der Wohnraum bereits vor dem 1. Januar 2019 rechtmäßig zur Fremdenbeherbergung genutzt worden ist. Dieses ist der Fall, wenn der Wohnraum dafür eine förmliche baurechtliche Genehmigung besitzt und damit auch einen formellen Bestandsschutz genießt. Dies ist auch der Fall bei Wohnraum in Baugebieten, der vorwiegend dem Wohnen dient, in der Vergangenheit vor dem 1. Januar 2015 ohne förmliche Genehmigung, aber zur Fremdenbeherbergung nachweislich genutzt wurde und weiterhin so genutzt wird.
Verwaltungsgerichte
werden Arbeit bekommen
Ob die beschlossene Satzung letztendlich rechtlichen Bestand hat, werden höchstwahrscheinlich die Gerichte entscheiden müssen. Als temporärer Sieger darf sich auf jeden Fall die FWN fühlen, deren Sprecher, Rechtsanwalt Hayo Moroni, mit seinem Plädoyer zumindest Teile des Rates überzeugte. Nach Angaben der Freien Wähler wären rund 3000 Wohnungen auf Norderney von der Zweckentfremdungssatzung betroffen. Belastbar überprüfen lässt sich das nicht. Nach Ansicht von Moroni erinnern die Ansichten von Verwaltung, SPD und Grünen an Zeiten der ehemaligen DDR, in der Privateigentum vom Staat durch entschädigungslose Enteignungen der Privateigentümer zum staatlichen Volkseigentum umgewandelt wurde.
„Nicht mehr als ein
stumpfes Schwert“
Viele Experten sehen in der nun beschlossenen Zweckentfremdungssatzung nicht mehr als ein „stumpfes Schwert“. Viel bürokratischer Aufwand, wenig Ertrag. So lässt sich auch der Wortbeitrag der Fachbereichsleitung Bauen und Umwelt, Claudia Ziehm, einordnen, die lieber gar keine Zweckentfremdungssatzung verabschiedet gesehen hätte als eine schlechte.
Es bleibt letztendlich ungewiss, ob Wohnungen, die zurückgeführt werden müssten, auch dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen würden. Und wenn, zu welch einem Mietpreis. Für die Norderneyer Sozialdemokraten ist der nicht endende Wirbel rund um die Zweckentfremdungssatzung so überflüssig wie ein Kropf. „Wir brauchen Dauerwohnraum und damit auch bezahlbaren Wohnraum. Mit der Zweckentfremdungssatzung soll es in erster Linie darum gehen, den bereits bestehenden Dauerwohnraum zu erhalten und nicht noch weitere Fremdnutzungen zuzulassen“, so Fraktionsvorsitzender Rolf Harms in der Ratssitzung. Mit dem Ratsbeschluss sei deshalb keine Verbesserung der aktuellen angespannten Wohnungssituation auf Norderney zu erwarten. „Aber nun müssen wir damit leben und das Beste daraus machen. Wir werden genau beobachten, wie sich das Ganze entwickelt“, ergänzt Harms.
Auch die Grünen hätten sich eine Verschärfung der Zweckentfremdung und damit Zustimmung zum Verwaltungsvorschlag gewünscht: „Dass ist wie einem Fahrradmonteur einen 13er-Schraubenschlüssel wegzunehmen“, erläutert Grünen-Fraktionschef Stefan Wehlage.
Die Satzung ist vorerst auf ein Jahr in einer Art funktionalen Testphase begrenzt. „Wir werden schauen, was passiert. Ob es am Ende ausreichen wird, bezweifele ich. Wir werden das Ergebnis der Abstimmung, auch wenn es nicht in unserem Sinne ist, mit begleiten“, erklärt Norderneys Bürgermeister Frank Ulrichs zur Situation. Das Thema Zweckentfremdungssatzung wird Norderney also noch weiter beschäftigen, spätestens Ende 2025, wenn sie erneut auf der Agenda der Kommunalpolitik stehen wird.