Ratsbeschluss zur Zweckentfremdungssatzung auf Norderney ist rechtswidrig
Stellungnahme der kommunale Aufsichtsbehörde Aurich

Die kommunale Aufsichtsbehörde mit Sitz im Auricher Landkreisgebäude. Archivbild © Bruns ubr
Norderney Es war ein weiter Weg und ein hartnäckiger Kampf, bis der Norderneyer Stadtrat schließlich Ende vergangenen Jahres mit knapper Mehrheit der Beschlussvorlage der Freien Wähler zur Zweckentfremdungssatzung mit zehn zu neun Stimmen beschloss.
Die rechtlichen Bedenken, die bei der Diskussion im Vorfeld vonseiten der Stadt geäußert wurden, schlugen sich im finalen Abstimmungsergebnis des Rates nicht nieder und Bauamtsleiterin Claudia Ziehm warnte vor der Beschlussversion des Satzungstextes, da man nicht wisse, in welches Fahrwasser man sich damit begäbe (wir berichteten).
Da die Stadt Norderney die Auffassung vertrat, der Ratsbeschluss sei rechtswidrig, hat der Bürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter im Januar die Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Aurich über die Situation informiert, wozu er gemäß des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) verpflichtet ist.
Am Mittwoch dieser Woche teilt die Stadt Norderney nun mit, dass der Landkreis die inhaltlichen Bedenken in einer ausführlichen rechtlichen Stellungnahme in vollem Umfang bestätigt.
„Darin stellt die Kommunalaufsicht unmissverständlich fest, dass wesentliche Regelungen der vom Rat beschlossenen Satzung den gesetzlichen Rahmen überschreiten, dem gesetzgeberischen Zweck widersprechen und letztlich sogar dem angestrebten Schutz von Wohnraum entgegenwirken. Die Bewertung der Aufsichtsbehörde macht deutlich, dass zentrale Elemente der Satzung nicht mit geltendem Recht vereinbar sind, was die von der Stadtverwaltung frühzeitig geäußerten Bedenken eindeutig stützt“, heißt es in der Bekanntmachung.
Rechtsbruch durch Definitionsversuch
Es fehle der Satzung – so die Kommunalaufsicht – an einer tragfähigen gesetzlichen Grundlage. Insbesondere stieß die in § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 vorgesehene Regelung in der Neufassung auf Kritik, wonach ungenehmigten Ferienwohnungen pauschaler Bestandsschutz eingeräumt werden sollte – eine Maßnahme, die gerade jene Objekte von der Satzung ausnimmt, die in besonderem Maße zur Verdrängung von Wohnraum beitragen. Diese selbst definierte Ausnahmeregelung für bestimmte Ferienwohnungen sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, heißt es vom Landkreis. Die Stadt habe durch diese eigenmächtige Begriffsbildung ihre gesetzlich eingeräumte Satzungskompetenz überschritten.
Dabei verweist der Landkreis auf einschlägige Urteile, die klar zwischen Dauerwohnen und Feriennutzung unterscheiden. Diese Differenzierung sei rechtlich zwingend – und eine pauschale Gleichstellung beider Nutzungsarten durch eine kommunale Satzung daher nicht zulässig.
Satzung untergrabe den Wohnraumschutz
Besonders gravierend sei es, wie es weiter in der Pressemitteilung der Stadt heißt, dass aus Sicht der Kommunalaufsicht die Satzung den Begriff des Wohnraums unzulässig einschränkt und dadurch den Anwendungsbereich der Satzung verkleinert, was letztlich zu einer weiteren Verknappung des Wohnraumbestands führt. Damit widerspräche sie dem grundlegenden Ziel einer Zweckentfremdungssatzung, nämlich den Wohnraum zu erhalten, spekulativen Leerstand zu verhindern und einer Umnutzung zu Ferienwohnungen entgegenzuwirken.
Falsche Behauptungen zur Genehmigungspraxis
Die Kommunalaufsicht ist außerdem der Meinung, dass die in der Neufassung der Satzung enthaltene Behauptung, es habe in der Vergangenheit eine generelle Gleichsetzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen durch den Landkreis stattgefunden, falsch sei. Eine solche Genehmigungspraxis habe es nachweislich nie gegeben. Der Versuch, aus einer angeblich langjährigen Verwaltungspraxis einen Bestandsschutz abzuleiten, sei unbegründet und unzulässig.
Ferienwohnungen würden nur dann Bestandsschutz haben, wenn diese baurechtlich genehmigt wurden. Eine pauschale Regelung, wie sie die Satzung vorsieht, sei daher nicht zulässig. Eine Prüfung obliege im Einzelfall der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, nicht der Stadt. Der in der Satzung erzeugte Eindruck, Ferienwohnungen seien automatisch rechtmäßig, könne einen irreführenden Rechtsschein erzeugen – mit möglicherweise gravierenden Folgen. Angesichts der Vielzahl rechtlicher Mängel empfehle die Kommunalaufsicht ausdrücklich, den Satzungsbeschluss im Interesse der Rechtssicherheit aufzuheben. Sollte die Stadt dennoch an der beschlossenen Fassung festhalten, sei eine Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde unvermeidlich.
„Der Rat sollte die Satzung korrigieren“, sagt Ulrichs
„Wer illegal errichtete oder ungenehmigte Ferienwohnungen im Nachhinein durch eine Satzung schützt, der riskiert, das Vertrauen in die kommunale Rechtsstaatlichkeit zu untergraben“, kommentiert Bürgermeister Frank Ulrichs. „Die Stadtverwaltung hat frühzeitig auf die drohenden Risiken hingewiesen. Es ist nun Aufgabe des Rates, Verantwortung zu übernehmen und die Satzung zu korrigieren, bevor irreparabler Schaden entsteht – nicht zuletzt für alle Bürgerinnen und Bürger, die aktuell und langfristig bezahlbaren Wohnraum suchen. Dabei geht es ausdrücklich nicht darum, Ferienwohnungen pauschal gegen Dauerwohnungen auszuspielen oder berechtigte Einzelfälle und unbillige Härten zu ignorieren. Ein faires und nachvollziehbares Vorgehen mit Augenmaß wurde stets zugesichert – im Kern jedoch muss es darum gehen, genehmigten Dauerwohnraum dauerhaft zu sichern und seiner Zweckentfremdung wirksam entgegenzuwirken“, schließt Bürgermeister Frank Ulrichs das Schreiben der Stadt.
bos