Anzeige

Anzeige

Zum Artikel

Erstellt:
20. November 2023, 08:00 Uhr
Lesedauer:
ca. 3min 51sec

Volkstrauertag: „Aufruf und Mahnung zugleich“

Frank Ulrichs beeindruckte mit einer Rede der klaren und deutlichen Worte.

Frank Ulrichs beeindruckte mit einer Rede der klaren und deutlichen Worte. ©

Norderney Der Volkstrauertag hat in Zeiten von weltweiten Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Der Volkstrauertag ist ein staatlicher Gedenktag in Deutschland, der seit 1952 immer zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen wird. Der Gedenktag erinnert an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen und soll damit auch zum Frieden mahnen.

Auf Norderney hielt Bürgermeister Frank Ulrichs eine emotionale Ansprache zum Volkstrauertag vor der Norderneyer Friedhofskapelle. Für Ulrichs ist der Volkstrauertag mehr als nur ein Gedenken an die Kriegstoten der entfernten Vergangenheit, sondern viel mehr ein Aufruf und eine Mahnung zugleich, die Geschichte nicht zu vergessen und aus ihr zu lernen. „Er ist Aufruf und Mahnung an uns alle, die Geschichte nicht zu vergessen und aus ihr zu lernen. Der Volkstrauertag ist eine Zeit der Stille, der Reflexion und des Respekts – eine Gelegenheit, innezuhalten und gleichzeitig darüber nachzudenken, wie wir eine Zukunft gestalten können, in der Frieden und Menschlichkeit oberste Priorität haben“, so der Appell von Ulrichs mit eindringlichen Worten. Worte, die bewegten und vielen der Anwesenden aus der Seele sprachen.

Und Ulrichs mahnte: „Der Volkstrauertag erinnert uns auch daran, dass die Arbeit für den Frieden nicht auf Regierungen und Institutionen beschränkt ist. Jeder von uns trägt die Verantwortung, sich aktiv für eine Kultur des Friedens einzusetzen. Das kann durch Bildung, interkulturellen Dialog, soziales Engagement und politische Teilnahme geschehen. Es sind die kleinen Handlungen jedes Einzelnen, die gemeinsam eine große Wirkung entfalten können“. Nicht nur für Ulrichs ist es zweite Gedenktag in Folge, an dem nicht nur an die Toten der Kriege der Vergangenheit, sondern auch zahlreicher Opfer gegenwärtiger Kriege und Konflikte gedacht wird. So erinnerte der Norderneyer Bürgermeister an den fortwährenden Krieg in der Ukraine , wo der russische Angriffskrieg nun schon fast seit zwei Jahren andauert und zu entsetzlichem Leid für Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern führt. So hätten viele Ukrainer ihre Heimat verlassen und aus ihrem Heimatland fliehen müssen. Die Daheimgebliebenen müssten täglich um ihr Leben und den Verbleib ihrer Liebsten fürchten – aufgrund von Angriffen aus der Luft, direkten Kampfhandlungen am Boden und des Terrors der russischen Besatzer. Der russische Angriffskrieg habe sich längst zu einem zermürbenden und verlustreichen Stellungskrieg entwickelt.

In den russisch besetzten Gebieten der Süd- und Ostukraine blieben den Menschen grundlegende Menschenrechte verwehrt. Unvorstellbar sei es , dass es in naher Zukunft wieder ein friedliches und vertrauensvolles Miteinander zwischen Ukrainern und Russen geben könne. Unvorstellbar auch deshalb, weil die russische Regierung hierfür zuerst anerkennen müsse, dass ihr Angriff einen eklatanten Bruch des Völkerrechts darstelle.

Deshalb sei es, so Ulrichs, unabdingbar, als europäische Zivilgesellschaft, weiterhin die Solidarität mit der Ukraine zu leben. Aber man dürfe auch die getöteten russischen Soldaten nicht vergessen, die sich ihrem Schicksal ergeben hätten müssen und keine andere Wahl gehabt hätten.

Und Bürgermeister Ulrichs führte in seiner Rede fort: „Der Krieg in der Ukraine ist aber nur einer von vielen, wenngleich dieser aufgrund seiner Nähe zu uns und vieler persönlicher Beziehungen und Betroffenheiten greifbarer und unmittelbarer scheint als viele der anderen weltweit 350 bewaffneten Konflikte. Eine Trendumkehr ist auch für dieses Jahr nicht zu erwarten“. So sei die Zahl der Konflikte so groß, dass sie kaum mehr in unser Bewusstsein vordringen würden.

Mittlerweile habe sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der Flüchtlinge weltweit verdreifacht. Wären es 2005 noch 35 Millionen, seien im Jahr 2022 fast 110 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Die Tendenz sei auch für dieses Jahr steigend. Heute seien Kriege und politische Spannungen viel näher an uns gerückt. Vor allem deren Auswirkungen spüre man in den letzten Jahren deutlich, wie den stetig ansteigenden Zustrom von Flüchtlingen aus vielen Regionen der Welt zu entnehmen sei. Kriege und bewaffnete Konflikte hätten auch Auswirkungen auf das Zusammenleben der Menschen in Deutschland.

„Dies zeigt sich gerade nochmals deutlich in den letzten Tagen und Wochen, seit dem Terrorangriff der Hamas auf israelische Zivilisten. Über 1200 Israelis fielen am 7. Oktober dem barbarischen und gnadenlosen Treiben der Hamas in Israel zum Opfer. Sie wurden bestialisch ermordet, verstümmelt und oder regelrecht hingerichtet. Über 200 Israelis sind weiterhin in der Hand der Terroristen. Das Leid der Menschen berührt uns im Innersten“, so Ulrichs.

Schätzungen zur Folge seien im letzten Monat in Gaza mehr Menschen getötet worden als in den letzten 15 Jahren des Nahostkonflikts. Auch hier lägen keine verlässlichen Zahlen vor, Experten rechneten aber mit vielen Tausend Menschen.

Der Terrorangriff auf Israel und das wahllose Morden rücke das Gedenken an jüdische Kriegstote stärker in den Fokus als noch Jahre zuvor.

Deswegen habe sich gerade der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge klar positioniert und setze mit seiner Teilnahme an vielen Veranstaltungen bundesweit sichtbare Zeichen. Dass weltweit, auch in Deutschland, diese Morde auf den Straßen gefeiert würden, sei scharf zu verurteilen. „Nach 78 Jahren bricht blanker Antisemitismus auf den Straßen unserer Großstädte empor – einfach unglaublich. Erst vor wenigen Tagen jährte sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal“, zeigt sich Frank Ulrichs sichtlich betroffen.

Auch wegen der klaren Worte des Norderneyer Bürgermeisters war es ein Volkstrauertag, der in Erinnerung bleiben wird und auch sollte.

Vor der obligatorischen Kranzniederlegung bedankte sich der Bürgermeister bei den Anwesenden für das Kommen und sein besonderer Dank ging dabei an die Freiwillige Feuerwehr Norderney , die Reservistenkameradschaft der Insel und die Bläsergruppe.

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen